Garten

Adoptivkinder für vier Wochen

Im August letzten Jahres waren wir damit beschäftigt, Girlitze großzuziehen, die mitsamt Nest abgestürzt waren und auf der glühend heißen Straße fast leblos aufgefunden wurden. Nachdem sie die erste Nacht wider Erwarten überlebt hatten, hielten uns Fritzi und Franzi für ein paar Wochen ganz schön auf Trab!

Ein schwieriger Anfang

Ich hatte am ersten Abend wenig Hoffnung für die beiden und brachte sie nur mit Müh und Not dazu, etwas Saft von einer überreifen Erdbeere zu nehmen. Fürs Füttern waren sie noch zu schwach. Am nächsten Tag hatten sie sich aber zur großen Überraschung ein bisschen erholt und waren bereit für Futter. Bloß, was essen die? Wir wussten ja noch nicht mal, mit welcher Vogelart wir es zu tun hatten. Außerdem war Wochenende und nur das verfügbar, was wir im Haus hatten.

Ein Stückchen Katzenfutter wurde gekostet und mit einem Blick quittiert, der eindeutig “was soll der Sch…ß?” zu heißen schien. Also lieber mal eine vegetarische Variante probieren. Ein Frühstücksbrei aus gemahlenem Hafer und Trockenfrüchten, kombiniert mit hart gekochtem Dotter wurde dann sofort freudig akzeptiert. Damit war die erste Hürde genommen.

Fütterung der Rabauken

Eine intensive Internetrecherche ergab schließlich, dass es sich um junge Girlitze handeln musste, die vorwiegend vegetarisch ernährt werden. Meine Erleichterung war groß, denn ich hatte vor Jahren schon mal einen Spatz mit Mehlwürmern großgezogen, das musste ich nicht wieder haben…

Girlitze am dritten Tag
Girlitze am dritten Tag

Übersiedlung zu den Kaninchen

Nach wenigen Tagen verließen die Kleinen ihr Nest und wurden in den alten Vogelkäfig umquartiert, wo sie schnell lernten (anfangs noch etwas wacklig!), auf Ästen zu sitzen. Um sie ans Leben draußen zu gewöhnen, kamen sie zu den Kaninchen ins geschlossene Gehege, was sie sehr mochten. Dort mussten sie weiterhin stündlich gefüttert werden, wobei ich in der Zwischenzeit ein Handaufzuchtfutter (NutriBird) besorgt hatte.

Nur abends nahm ich sie wieder mit ins Haus. Beide hatten ihren festen Schlafplatz im Käfig, für Franzi war das kurioserweise die eingeklemmte Wäscheklammer für die Wildgräser, wofür er den Namen “Kluppenfranzi” erntete (er dankt es uns wohl bis heute…).

Nachbars Katze

Um die Kleinen nicht zu verweichlichen, sollten sie lernen, auch die kühleren Nächte draußen zu verbringen. Diese Entscheidung haben wir alle bereut! Das Außengehege ist zwar rundherum gut geschützt, das hinderte aber Nachbars Katze, von deren Existenz wir bislang nichts wussten, nicht daran, mitten in der Nacht auf das Dach zu klettern und die Kleinen in Panik zu versetzen.

Nur dem Zufall war es zu verdanken, dass ich nicht schlafen konnte und um 4 Uhr früh auf die Terrasse ging, wo ich seltsame Geräusche hörte. Mit der Taschenlampe bewaffnet konnte ich die Katze verjagen und die komplett geschockten Girlitze von den Gitterwänden klauben. Beide hatten einen kleinen Cut auf der Stirn, waren aber sonst unversehrt. Während ich am nächsten Tag noch immer unter dem Eindruck der schrecklichen Nacht stand, waren Fritzi und Franzi schon wieder so fröhlich als sei nie etwas gewesen! Von da an wurden sie wieder jede Nacht ins Haus geholt, das Einsammeln wurde aber mit zunehmender Flugsicherheit immer schwieriger.

Die Freilassung

Nach genau vier Wochen in unserer Obhut  war es Zeit, die beiden ans Leben in der Freiheit zu gewöhnen. Sie hatten schon gelernt, eigenständig Körner zu fressen und sie brauchten dringend Platz, um mal so richtig zu fliegen. Der Käfig wurde vor der Freilassung für ein paar Stunden im Innenhof aufgehängt, um ihnen Zeit zu geben, sich in der ungewohnten Umgebung neu zu orientieren.

Das anschließende Öffnen der Käfigtüren verlief dann aber weit weniger spektakulär als angenommen. Beide gingen lange Zeit im Käfig ein und aus, flogen auch mal ein kleines Stück weg, aber blieben immer in der Nähe. Erst gegen Abend begriffen sie langsam, dass sie völlig ungehindert fliegen konnten und drehten ein paar ausgedehnte Runden. Und dann, schwupps, waren sie weg.

Ein Abschied in Etappen

Ein glückliches Wiedersehen

Am nächsten Tag waren sie wieder da… Glücklich sahen sie aus, die beiden, wahrscheinlich über die neue Freiheit und darüber, wieder “daheim” zu sein. Die Freude war gegenseitig, zumal die Kleinen den Garten bevölkerten, ohne irgendwelche Arbeit zu machen. Sie frequentierten häufig den offenen Käfig, um sich den Bauch mit Quinoa vollzuschlagen und Wasser zu trinken.

Nur bei Fritzi trat nach zwei Tagen eine Regression auf und “sie” fing wieder an, um Futter zu betteln. Mit jedem Tag wurde das Verhalten intensiver – einmal verfolgte mich Fritzi sogar ins Haus hinein. Ein paar Tage lang waren wir ratlos, aber dann kam mir die zündende Idee, mit der die Loslösung auch tatsächlich klappte: ich stellte den Futterbrei im Käfig zur Selbstbedienung bereit und das Betteln hörte damit sofort auf. Nach wenigen Tagen war auch diese Phase zu Ende.

Die beiden waren noch etwa zwei Wochen lang immer wieder mal zu Gast und dann hörte auch das auf. Girlitze haben einen stark wellenförmigen Flug, an dem sie leicht erkennbar sind. Wir konnten sie immer wieder mal vorüber fliegen sehen und zu unserer Freude feststellen, dass sie zwei neue Freunde gefunden hatten, mit denen sie die Gegend unsicher machten.

Fritzi und Franzi, wir wünschen euch alles Gute!